1. Das Wichtigste in Kürze
Wer im Laufe eines Kalenderjahres bestimmte Belastungsgrenzen erreicht, kann sich von vielen Zuzahlungen der Krankenkasse befreien lassen oder sich am Jahresende den über der Belastungsgrenze liegenden Betrag erstatten lassen. Die Belastungsgrenze liegt bei 2 % des Bruttoeinkommens, bei chronisch Kranken bei 1 %.
2. Belastungsgrenze
Bei zahlreichen Leistungen der Krankenversicherung muss der Patient Zuzahlungen leisten. Die Belastungsgrenze soll verhindern, dass insbesondere chronisch Kranke, Behinderte, Versicherte mit einem geringen Einkommen und Sozialhilfeempfänger durch die Zuzahlungen zu medizinischen Leistungen unzumutbar belastet werden. Die Belastungsgrenze liegt bei 2 % des jährlichen Bruttoeinkommens.
Frühere Regelungen wie Sozialklausel, Härtefälle und Überforderungsklausel gelten nicht mehr.
2.1. Zuzahlungsbefreiung Arzneimittel
Unabhängig von irgendwelchen Belastungsgrenzen sind bestimmte Arzneimittel von der Zuzahlung befreit. Näheres unter AVWG (Arzneimittelversorgungswirtschaftlichkeitsgesetz) und Arznei- und Verbandmittel > Zuzahlung und Befreiung.
Darüberhinaus können Medikamente eines Arzneimittelherstellers, mit dem die Krankenkasse einen Rabattvertrag geschlossen hat, ganz oder zur Hälfte zuzahlungsfrei sein.
3. Voraussetzung
Als "belastet" gilt, wer mehr als 2 % der jährlichen Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt für Zuzahlungen ausgeben muss(te).
3.1. Berechnung des Bruttoeinkommens
Das Bruttoeinkommen zum Lebensunterhalt ist als Familienbruttoeinkommen zu verstehen. Es errechnet sich aus dem Bruttoeinkommen des Versicherten und den Bruttoeinkommen aller Angehörigen des Versicherten, die mit ihm in einem gemeinsamen Haushalt leben.
3.1.1. Angehörige
Angehörige des Versicherten sind:
Nicht zu den Angehörigen zählen Partner einer eheähnlichen verschiedengeschlechtlichen oder nicht eingetragenen gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft.
3.2. Freibetrag
Von diesem Bruttoeinkommen zum Lebensunterhalt werden ein oder mehrere Freibeträge abgezogen:
3.3. Einnahmen zum Lebensunterhalt
Einnahmen zum Lebensunterhalt sind:
Nicht zu den Einnahmen zählen zweckgebundene Zuwendungen, z.B.:
4. Sozialhilfe, Arbeitslosengeld II, Grundsicherung
Bei Empfängern von Hilfe zum Lebensunterhalt (Sozialhilfe), von Arbeitslosengeld II und von Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung wird jeweils nur der Regelsatz des Haushaltsvorstands als Bruttoeinkommen für die gesamte Bedarfsgemeinschaft gezählt, d.h.: der jährliche Zuzahlungsgesamtbetrag beträgt 91,68 €, bei chronisch Kranken 45,84 €.
5. Zuzahlungsbefreiung, Rückerstattung
Auch die Zuzahlungen werden als "Familienzuzahlungen" betrachtet, d.h., es werden die Zuzahlungen des Versicherten mit den Zuzahlungen seiner Angehörigen, die mit ihm im gemeinsamen Haushalt leben, zusammengerechnet. Dasselbe gilt auch bei eingetragenen gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften.
Ausnahme: Ist ein Ehepartner beihilfeberechtigt und/oder privat krankenversichert, werden die Zuzahlungen, die auch dieser eventuell leisten muss, nicht als Familienzuzahlung berechnet, das bedeutet, die gesetzliche Krankenkasse erkennt diese nicht als Zuzahlungen in ihrem Sinne an. Beim Familieneinkommen werden allerdings beide Einkommen herangezogen und somit als Grundlage für die Zuzahlungsbefreiung genommen.
Überschreiten die Zuzahlungen 2 % der o.g. Bruttoeinnahmen im Kalenderjahr (= Belastungsgrenze), erhalten der Versicherte sowie sein Ehegatte und die familienversicherten Kinder, die mit ihm in einem gemeinsamen Haushalt leben, für den Rest des Kalenderjahres eine Zuzahlungsbefreiung bzw. den Mehrbetrag von der Krankenkasse zurückerstattet. Ist das Ehepaar bei verschiedenen gesetzlichen Krankenkassen, dann errechnet eine Krankenkasse, ab wann die Voraussetzungen für die Zuzahlungsbefreiung erreicht sind, und stellt gegebenenfalls eine Zuzahlungsbefreiung aus. Dies wird der anderen Krankenkasse mitgeteilt, so dass die Versicherten für den Rest des Jahres keine Zuzahlungen mehr leisten müssen.
5.1. Berechnungsbeispiel
Ehepaar mit 2 Kindern:
Wenn im konkreten Beispiel die Zuzahlungen die Belastungsgrenze von 222,66 € im Jahr übersteigen, übernimmt die Krankenkasse die darüber hinausgehenden Zuzahlungen.
6. Quittungsheft
Verschiedene Krankenkassen bieten ihren Versicherten ein Quittungsheft an, in dem sie übers Jahr alle Quittungen von Zuzahlungen sammeln können.
7. Praxistipp
Die Belastungsgrenze wird im Nachhinein wirksam, weshalb Patienten immer alle Zuzahlungsbelege aufbewahren sollten, da nicht absehbar ist, welche Kosten im Laufe eines Kalenderjahres auflaufen. Wenn ein Versicherter im Lauf des Jahres die 2-%-Belastungsgrenze erreicht hat, sollte er sich mit seiner Krankenkasse in Verbindung setzen.
Die Krankenkasse wird dem Patienten die Zuzahlungen zurückerstatten, die die 2-%ige Belastungsgrenze übersteigen. Bei Erreichen der Belastungsgrenze wird für den Rest des Jahres eine Zuzahlungsbefreiung ausgestellt.
8. Sonderregelungen
8.1. Härtefallregelung bei Zahnersatz
(§ 55 Abs. 2 SGB V)
Wenn eine "unzumutbare Belastung" vorliegt, gewährt die Krankenkasse bei der Versorgung mit Zahnersatz zusätzlich zu den Festzuschüssen von 50 bis 65 % einen weiteren Betrag bis zur Höhe der tatsächlich entstandenen Kosten, unabhängig davon, ob der Versicherte sich um die Gesunderhaltung seiner Zähne bemüht. Details siehe Zahnersatz. Die Zuzahlungen beim Zahnersatz werden bei der Berechnung der Zuzahlungsbefreiung nicht berücksichtigt.
8.2. Sonderregelung für chronisch Kranke: 1-%-Belastungsgrenze
Um von Zuzahlungen der Krankenversicherung befreit zu werden, gilt für chronisch Kranke, die wegen derselben schwerwiegenden Krankheit in Dauerbehandlung sind, eine besondere Belastungsgrenze von 1 % ihrer jährlichen Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt. Details siehe Zuzahlungsbefreiung für chronisch Kranke.
8.3. Sonderregelung für Sozialhilfeempfänger im Heim
Seit 1.1.2005 gibt es für Heimbewohner, die Sozialhilfe beziehen, eine Möglichkeit, auch in der Zeit bis sie die 1-%- bzw. 2-%-Grenze erreicht haben, keine Zuzahlungen mehr zu leisten: Dafür veranlassen sie, dass über den örtlich zuständigen Sozialhilfeträger der Zuzahlungsgesamtbetrag (91,68 € bzw. bei chronisch Kranken: 45,84 €) an ihre Krankenkasse vorab überwiesen wird. Dieser als Darlehen gewährte Gesamtbetrag wird dann in monatlichen kleinen Ratenbeträgen mit dem Taschengeld des Heimbewohners verrechnet.
8.3.1. Praxistipp